Steuerrecht: Lange Fristen bei Steuerstraftaten des Erben!

Wer als Erbe die Gesamtrechtsnachfolge antritt, kann sich nicht nur wegen einer Erbschaftssteuerhinterziehung strafbar machen, sondern läuft auch Gefahr, sich wegen der Steuerhinterziehung des Erblassers strafbar zu machen. Oft wiegen sich Erben in Sicherheit, weil sie davon ausgehen, dass unrichtig abgegebene Steuererklärungen bereits verfristet sind. Tatsächlich kann den Erben eine Steuerhinterziehung des Erblassers aber auch noch 20 Jahre nach der Abgabe der Steuererklärung verfolgen!

Zum Fall:

Der Erbe ist der Sohn eines 2007 verstorbenen Erblassers. Die Steuererklärungen für die Jahre 1995 bis 2001 wurden von dem Vater fristgerecht eingereicht. Für 2005 wurde ebenfalls eine Steuererklärung abgegeben. In den ganzen Jahren hatte der Erblasser Vermögen im Ausland angelegt und Kapitalerträge daraus erzielt, die nicht in den Steuererklärungen angegeben wurden. Die Erträge gingen nach dem Tod des Erblassers an dessen Sohn. Dieser gab in den Steuererklärungen für 2006 und 2007 die Vermögenswerte ebenfalls nicht an. Ende 2014 zeigte sich der Erbe selbst an und berichtigte die Einkünfte aus den Kapitalanlagen im Ausland für den Zeitraum 2002 bis 2012 nachträglich. Gegen den Erben wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Der Tatvorwurf der Vermögens- und Erbschaftssteuerhinterziehung erstreckte sich jedoch auf den Zeitraum von 1995 bis 2005 (FG München, 26.07.2019 – 6 K 3189/17).

Wie kann eine Erbschaftssteuerhinterziehung verwirklicht werden?

  • Wenn der Erbe eine Anzeige unterlässt,
  • wenn die Anzeige des Erben unrichtige Angaben enthält,
  • wenn der Erbe unterlässt eine Erbschaftssteuererklärung abzugeben,
  • wenn die Erbschaftssteuererklärung des Erben unrichtige Angaben enthält.

Kann die Steuerhinterziehung des Erblassers durch den Erben fortgesetzt werden?

Ja! Wenn nach dem Erbfall erkennbar ist, dass der Erblasser Einnahmen nicht versteuert hat und der Erbe die Geldanlagen übernimmt, macht er sich ab diesem Zeitpunkt der (eigenen) Steuerhinterziehung strafbar.

Was müssen Gesamtrechtsnachfolger beachten?

  • Erben, auf die im Rahmen der Gesamtrechtnachfolge alle Rechte und Pflichten des Erblassers übergehen, müssen beachten, dass die Verjährungsfristen des Erblassers gegen den Erben weiterlaufen.
  • Nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO (Abgabenordnung) beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre soweit Steuern hinterzogen wurden.
  • Nach § 153 AO trifft Gesamtrechtsnachfolger so lange die Frist läuft, eine Berichtigungspflicht, wenn von ihnen erkannt wurde, dass die Steuererklärung des Erblassers unrichtig oder unvollständig ist. Die Berichtigung hat nach der Kenntniserlangung unverzüglich zu erfolgen. Die erforderlichen Unterlagen können nachgereicht werden.
  • Erben, die der Berichtigungspflicht aus § 153 AO nicht nachkommen, begehen eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen.

Im vorliegenden Fall wurde die Steuererklärung für das Jahr 1995 von dem Erblasser 1997 eingereicht. Da der Erblasser Mitte 2007 verstorben ist, ist sein Sohn als dessen Gesamtrechtsnachfolger in die Frist, die erst Ende 2007 abgelaufen ist, eingetreten.

Die ersten Erträge aus der Kapitalanlage hat der Erbe bereits 2007 erhalten. Somit hatte er bereits, während die Frist aus § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO lief Kenntnis von einer Steuerhinterziehung seines Vaters und hätte dessen Steuererklärung berichtigen müssen. Da die Steuererklärungen der Jahre 1995 bis 2001 nicht berichtigt wurden, hat sich der Sohn der Steuerhinterziehung durch Unterlassen für die Erklärungen ab dem Jahr 1995 strafbar gemacht (FG München, 26.07.2019 – 6 K 3189/17).

Welche Rechtsfolgen ergeben sich zudem aus § 171 Abs. 7 AO?

  • § 171 Abs. 7 AO besagt, dass die Festsetzungsfrist aus § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO gehemmt ist, bis die Steuerstraftat des Erben strafrechtlich verjährt ist.
  • § 78 Abs. 3 StGB regelt die strafrechtlichen Verjährungsfristen. Die Frist für Steuerhinterziehungen beträgt zwischen 5 und 10 Jahren.
  • Durch die Hemmung der Festsetzungsfrist ist es möglich, dass der Steuerhinterzieher strafrechtlich belangt wird und die Steuern für die Altjahre zurückgefordert werden können.

Der Erbe hat im konkreten Fall im Jahr 2007 selbst eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begangen. Die Festsetzungsfrist für die Steuererklärung aus dem Jahr 1997 wurde demnach nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt. Somit waren die Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2001 ebenfalls noch nicht verjährt und hätten berichtigt werden müssen (FG München, 26.07.2019 – 6 K 3189/17).

Wann kommt eine Selbstanzeige des Erben in Betracht?

  • Wenn der Erbe Mittäter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung des Erblassers ist, kommt eine Berichtigung nach § 153 AO nicht in Betracht. Allerdings kann der Erbe sich selbst anzeigen.
  • Wenn der Erbe sich für eine Selbstanzeige entscheidet, kann er auf eine Strafbefreiung, welche sich auf die eigene Tatbeteiligung bezieht, hoffen.

Dr. Bettina Schacht

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht 
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