Internationales Recht: Die EU-Whistleblower-Richtlinie

So können Unternehmen Hinweisgebersysteme zu ihrem Vorteil nutzen!

Durch die EU-Whistleblower-Richtlinie sollen europäische Unternehmen und Kommunen zur Einführung von Hinweisgebersystemen verpflichtet werden. Die neuen gesetzlichen Voraussetzungen an Hinweisgebersysteme müssen jedoch keine Bürde sein. Unternehmen können die gesetzlichen Neuerungen als Chance nutzen, um sich von der Konkurrenz in positiver Weise abzuheben!

Was sollte man über die EU-Whistleblower-Richtlinie wissen?

  • Die Richtlinie (EU) 2019/1937 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, muss von den Mitgliedsstaaten bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden.
  • Unternehmen und Organisationen im öffentlichen und privaten Sektor, die über 50 Mitarbeiter beschäftigen oder einen Umsatz von mindestens 10 Millionen Euro pro Jahr haben, werden aufgefordert Hinweisgebersysteme einzurichten.
  • Die Richtlinie betrifft außerdem Kommunen mit mindestens 10.000 Einwohnern.
  • Die nationalen Gesetzgeber haben die Möglichkeit, die Anforderungen der Richtlinie 1 zu 1 in nationales Recht zu übertragen, Anpassungen vorzunehmen oder Ausnahmen einzuführen.
  • Das Bundesjustizministerium hat angekündigt, dass deutsche Meldesysteme nicht nur auf unionsrechtliche Verstöße ausgerichtet sein sollen, sondern darüber auch Verstöße gegen das nationale Recht gemeldet werden können. Dies erhöht die Relevanz der Whistleblower Richtlinie in Deutschland.

Was sind „Whistleblower“?

Whistleblower sind interne oder externe Hinweisgeber, die über unethisches Verhalten im Unternehmen oder andere Missstände berichten. Die Berichte sind vertraulich und können sich sowohl auf einen bloßen Verdacht als auch auf einen tatsächlichen oder potenziellen Verstoß beziehen.

Warum ist die Richtlinie erlassen worden?

In Deutschland gibt es bisher, wie in vielen anderen europäischen Ländern, keinen generellen arbeitsrechtlichen Schutz von Hinweisgebern. Potenzielle Hinweisgeber fürchten dementsprechend die negativen Konsequenzen, die sich ergeben können, wenn sie Missstände melden. Die EU-Whistleblower-Richtlinie soll diesem Problem entgegenwirken und einen gemeinsamen Mindeststandard zum Schutz von Hinweisgebern schaffen.

Wie funktionieren Hinweisgebersysteme?

Hinweisgebersysteme sind ein Bestandteil des Compliance-Management-Systems von Unternehmen. Ihre Bedeutung sollte nicht unterschätzt werden, da sie dem Unternehmen helfen können, potenzielle Verstöße zu verhindern und Verstöße aus der Vergangenheit aufzuarbeiten.

  • Hinweisgebersysteme sind interne Meldekanäle.
  • Über das interne System können Personen anonym Hinweise zu potenziellen Regelverstößen abgeben.
  • Das Hinweisgebersystem setzt eine entsprechende IT-Lösung voraus, um eine anonyme Prozessmeldung und -dokumentation sicherzustellen.
  • Die internen Hinweisgebersysteme können unterschiedlich umgesetzt werden. Ein Meldekanal kann zum Beispiel durch eine externe Hotline, mailboxbasierte Telefonsysteme oder webbasierte Systeme umgesetzt werden.

Welche konkreten Vorteile können Unternehmen aus Hinweisgebersystemen ziehen?

Von der (Weiter-)Entwicklung der Hinweisgebersysteme können Unternehmen in vielerlei Hinsicht profitieren.

  • Hinweisgebersysteme können eine präventive Wirkung entfalten und verhindern, dass es überhaupt zu Missständen und Regelverstößen im Unternehmen kommt.
  • Hinweisgebersysteme können der Prozessoptimierung dienen, indem Mängel im Unternehmen frühzeitig aufgedeckt werden.
  • Hinweisgebersysteme können finanzielle Schäden, die durch Gerichtskosten oder Strafzahlungen entstehen, verringen oder sogar ihre Entstehung verhindern.
  • Hinweisgebersysteme können vertrauenswürdige Anlaufstellen für Hinweisgeber sein und verhindern, dass sich Hinweisgeber gezwungen fühlen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden.

Welche Regelungen findet man in der EU-Whistleblower-Richtlinie?

  • Die Identität des Hinweisgebers und betroffener Dritter soll geschützt werden.
  • Die Meldung von Verstößen oder Missständen soll schriftlich und mündlich ermöglicht werden.
  • Die eingehenden Meldungen sollen dokumentiert werden.
  • Der Hinweisgeber soll innerhalb von 7 Tagen eine Empfangsbestätigung erhalten.
  • Der Hinweisgeber soll innerhalb von 3 Monaten eine Rückmeldung erhalten.
  • Die Hinweisgeber sollen vor jeglicher Art von negativen Folgen (z.B. fristlose Kündigung, Einschüchterung oder Diskriminierung) bewahrt werden. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass Sanktionen nicht als Reaktion auf einer Meldung des Hinweisgebers erfolgt sind.
  • Der gutgläubige Hinweisgeber muss keine Folgen befürchten, wenn es zu Falschmeldungen kommt.

Sind Unternehmen in Deutschland bereits zur Errichtung eines Hinweisgebersystems verpflichtet?

  • In einzelnen Branchen sind Unternehmen bereits dazu verpflichtet, ein entsprechendes System einzurichten. Bisher besteht eine gesetzliche Pflicht für Kreditinstitute und Versicherungen.
  • In anderen Branchen findet man teilweise freiwillig eingeführte Meldesysteme als Bestandteil von Compliance-Systemen.

Dr. Bettina Schacht

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zert. Testamentsvollstreckerin
Mediatorin