Erbrecht: Pflichtteilsentziehung wegen Körperverletzung?

Ist eine körperliche Auseinandersetzung ein Grund für eine Pflichtteilsentziehung?

Grundsätzlich steht enterbten Personen noch ihr Pflichtteil zu. Dieser beläuft sich auf 50 % des Erbteils. Doch unter bestimmten Voraussetzungen kann Erben auch der Pflichtteil entzogen werden. Vor dem LG Frankenthal klagte ein Sohn, der seine Mutter mehrfach geschlagen haben soll. Seine Eltern hatten verfügt, dass ihm sein Pflichtteil entzogen werden soll.

Zum Fall:

Der Kläger war 1997 durch einen notariell beglaubigten Erbvertrag von seinen Eltern enterbt worden. Die Eltern hatten darüber hinaus verfügt, dass ihrem Sohn auch der Pflichtteil entzogen wird. Das Paar begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger seine Mutter mehrfach geschlagen habe. Die Frau habe durch die Schläge ihres Sohnes Schädelprellungen erlitten. Das Paar setzte anstatt des Sohnes eine soziale Einrichtung als Erbin ein. Nachdem beide Eheleute verstorben waren, ging das Erbe entsprechend ihrer Verfügungen, auf die Einrichtung über. Der Sohn war mit diesem Vorgang nicht einverstanden und gab an, von seiner Mutter übergangen worden zu sein. Vor Gericht wollte er mindestens seinen Pflichtteil einfordern (LG Frankenthal 11.03.2021 – 8 O 308/20).

Wann kann der Pflichtteil entzogen werden?

  • In § 2333 Abs. 1 BGB sind die Gründe, welche eine Pflichtteilsentziehung rechtfertigen, abschließend aufgezählt.
  • Der Erbe muss ein schweres Fehlverhalten gegenüber dem Erblasser an den Tag gelegt haben.
  • Die Pflichtteilsentziehungsgründe müssen bereits im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung verwirklicht worden sein.
  • Die Gründe für die Pflichtteilsentziehung müssen im Testament eindeutig geschildert werden.

Kann eine Körperverletzung eine Pflichtteilsentziehung begründen?

Ja! Wenn der Erbe den Erblasser verletzt, kann dies eine Pflichtteilsentziehung begründen.

  • Die Hintergründe sind entscheidend. Nicht jede Körperverletzung ist ein schweres Vergehen i.S.v. § 2333 Abs. 1 BGB.
  • Wenn der Erbe den Erblasser im Affekt, zum Beispiel im Rahmen eines plötzlich eskalierten Streits verletzt hat, rechtfertigt dies eine Entziehung des Pflichtteils eher nicht.

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht dem Testament nicht entnehmen in welchem Zusammenhang sich die Körperverletzung der Mutter zugetragen hat. Das Gericht nahm zudem an, dass der Streit zwischen Mutter und Sohn nicht der einzige Grund für die Pflichtteilsentziehung gewesen ist. Die Eltern seien mit dem gesamten Lebensstil ihres Sohnes nicht einverstanden gewesen. Diese Beweggründe würden die Entziehung des Pflichtteils jedoch nicht rechtfertigen. Das LG Frankenthal sprach dem Sohn seinen Pflichtteilsanspruch zu und verurteilte die soziale Einrichtung dazu, dem Kläger das Geld auszuzahlen (LG Frankenthal 11.03.2021 – 8 O 308/20).

Stefanie Braun

Rechtsanwältin
Theoretische Voraussetzungen zur Fachanwältin für Erbrecht
Agrarrecht