Zivilrecht: Ausgleichsansprüche bei Annullierung

EuGH äußert sich zu Ausgleichsansprüchen von Fluggästen

Ein österreichisches Gericht und ein deutsches Gericht haben den EuGH wegen Ausgleichsansprüchen von Fluggästen befragt. In den Verfahren machten die Fluggäste Ausgleichsansprüche unter anderem aufgrund von Vorverlegungen ihrer Flüge geltend. Die Klagen richteten sich gegen verschiedene Airlines. Die nationalen Gerichte wollten vom EuGH wissen, ob die Ausgleichsansprüche aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bei der Annullierung von Flügen greifen (EuGH v. 21.12.2021 – C-146/20).

Wann ist eine Vorverlegung erheblich?

  • Laut dem EuGH ist von einer Annullierung des Fluges bei einer Vorverlegung von mindestens einer Stunde auszugehen.
  • Die Vorverlegung ist in diesen Fällen erheblich, da die Vorverlegung ebenso wie eine Verspätung zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten für die Fluggäste führt.
  • Betroffene Personen können in diesen Fällen nicht frei über ihre Zeit verfügen und ihren Aufenthalt oder ihre Reise nicht nach den eigenen Vorstellungen gestalten.

Kann über den Ausgleichsanspruch die Erstattung des gesamten Ticketpreises verlangt werden?
Soweit eine erhebliche Vorverlegung des Fluges erfolgt ist, muss die jeweilige Fluggesellschaft den gesamten Ticketpreis erstatten.

Wie wirkt es sich auf den Ausgleich aus, wenn dem Fluggast eine anderweitige Beförderung angeboten wurde?
Eine Ausgleichszahlung muss nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung nicht gezahlt werden, wenn Reisende mindestens zwei Wochen vor Abflug über die Annullierung unterrichtet werden.

Kann ein Ausgleichsanspruch nur geltend gemacht werden, wenn man im Besitz eines Flugscheins ist?
Nein! Ein Beleg des Reiseunternehmens ist ebenfalls ausreichend. Wichtig ist, dass die Beförderung durch einen individualisierten Flug belegt werden kann.

  • Der Beleg sollte den Abflug- und Ankunftsort, die Abflug- und Ankunftszeit und die Flugnummer enthalten.
  • Der Beleg ist auch ausreichend, wenn das Luftfahrtunternehmen die Angaben des Reiseunternehmens nicht bestätigt hat. Vom Fluggast kann nicht verlangt werden, dass er sich Informationen über die Beziehungen zwischen dem Reiseunternehmen und der Airline beschafft.

Wie muss sich die Airline bei Annullierungen oder Nichtbeförderungen verhalten?

  • Die Airline muss die Fluggäste in diesen Fällen darüber informieren von wem eine Ausgleichszahlung verlangt werden kann.
  • Die betroffenen Personen müssen erfahren, welche Unterlagen nötig sind, um einen solchen Anspruch geltend zu machen.
  • Der genaue Betrag der fälligen Entschädigung muss nicht genannt werden.

Dr. Bettina Schacht

Rechtsanwältin
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