Familienrecht: BGH nimmt die Großeltern in Anspruch
Großeltern sind laut BGH verpflichtet, für den Unterhalt ihrer Enkelkinder aufzukommen, wenn die Eltern des Kindes dafür außerstande sind.
Gründe dafür können sein:
- Tod der Eltern,
- Abwesenheit der Eltern oder
- Nicht ausreichendes Einkommen der Eltern
Der konkrete Streit handelt von einem Mann mit einem Nettoeinkommen von 1.400,00 €, der seiner ehemaligen Frau für deren gemeinsame Tochter monatlich 100,00 € und auch seinem anderen Sohn Unterhalt zahlte. Er wurde aufgefordert, für die Zeit von Juni 2016 bis Ende 2017 weitere 760,00 € an die Tochter zu bezahlen. Er weigerte sich und verwies auf seine Eltern: Diesen steht ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 3.500,00 € und 2.200,00 € zur Verfügung.
Grund für die Entscheidung des Gerichts ist, dass nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Verwandten in gerader Linie füreinander aufkommen müssen.
Den Eltern steht der sog. angemessene Eigenbedarf zur Verfügung, der nicht angetastet werden darf. Dieser beträgt aktuell 1.400,00 €.
Eltern minderjähriger Kinder hingegen steht lediglich der sog. notwendige Eigenbedarf, der aktuell 1.160,00 € beträgt, zur Verfügung. Davon gibt es allerdings eine Ausnahme: Wenn es andere Verwandte gibt, die unterhaltspflichtig sind, muss ein Elternteil dann keinen Unterhalt leisten.
Laut BGH zählen auch Großeltern zu diesem Personenkreis, da sie mit den Enkelkindern geradlinig verwandt sind.
Das bedeutet, dass die Blutsverwandtschaft zwischen den Enkelkindern und den Großeltern eine Unterhaltspflicht dieser begründen kann. Diese können jedoch nur dann unterhaltspflichtig sein, wenn ihnen selbst ein angemessener Lebensbedarf zur Verfügung steht (2.000,00 € + die Hälfte des darüber liegenden Einkommens).
Insgesamt haften nicht nur die Eltern des Elternteils, der nicht für den Unterhalt seines Kindes aufkommen kann, sondern anteilig alle Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits gleichermaßen.
Da es sich um eine Ersatzhaftung handelt, richtet sich der Unterhaltsanspruch immer nach dem Einkommen der Eltern, nicht nach dem der Großeltern. Dies hat zur Folge, dass ein Kind, dessen Elternteil infolge eines zu niedrigen Einkommens keinen Unterhalt leisten kann, auch dann nur einen Anspruch auf Mindestunterhalt hat, wenn seine Großeltern wohlhabend sind.
Insgesamt ist die Haftung der Großeltern jedoch eher die Ausnahme: Grund dafür ist, dass zum einen der Staat den Unterhalt nicht aktiv einfordern kann. Außerdem dürfen Großeltern deutlich mehr Geld für sich einbehalten als die Eltern des Kindes. Die Beweislast, dass andere unterhaltspflichtige und leistungsfähige Verwandte vorhanden sind, liegt außerdem beim zahlungsunfähigen Elternteil.
(BGH, Beschluss vom 27.10.2021, Az. XII, ZB 123/21)
Stefanie Braun
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Theoretische Voraussetzungen zur Fachanwältin für Agrarrecht