Das Bundesverfassungsgericht zu „Deals“ im Strafprozess
Absprachen im Strafprozess („Deals“) sind gem. § 257c StPO in geeigneten Fällen zulässig. Dies ist für Angeklagte insofern von Vorteil, da sie zu milderen Urteilen führen können.
Das BVerfG bezog nun Stellung zu diesen Absprachen.
Was ist ein Deal?
Deals sind Absprachen zwischen dem Gericht, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft über die Rechtsfolgen eines Verfahrens. Insbesondere wird ein Strafhöchstmaß vereinbart, für den Fall, dass der Angeklagte ein (Teil-)Geständnis ablegt. Dies entlastet die Gerichte erheblich, da die Hauptverhandlung abgekürzt werden kann. Die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) bleibt weiterhin bestehen. Findet ein Deal erfolgreich statt, so hat er Bindungswirkung gegenüber dem Gericht, § 257c Abs. 4 StPO.
Vor allem im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts kommen Verständigungen in der Praxis häufig vor.
BVerfG, Beschluss vom 20.12.2023, Az. 2 BvR 2103/220
Zum Sachverhalt: Ein Angeklagter gestand vor dem AG Halle die Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 26 Fällen. In der Hauptverhandlung hatte der vorsitzende Richter eine Verständigung vorgeschlagen und sicherte ihm im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monate ausgesetzt zur Bewährung zu. Dies nahm er an und sein Anwalt räumte die Tatvorwürfe ein.
Daraufhin prüfte das zuständige Amtsgericht den Sachverhalt nicht genauer und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ausgesetzt zur Bewährung. Die Revision beim OLG blieb erfolglos.
Das BVerfG beanstandete diese Entscheidung nun. Das Gericht überprüfte die Wahrheit dieser Entscheidung nicht weiter in der Hauptverhandlung, sondern stützte die Verurteilung rein auf dieses Geständnis. Aus diesem Grund hob das BVerfG die Entscheidungen der beiden Gerichte nun auf. Das AG und das OLG haben das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Dieses gehört zu den wesentlichen rechtstaatlichen Prinzipien.
Die Richter des BVerfG hielten das Geständnis für vage, weshalb von den Gerichten in der Beweisaufnahme genauer überprüft werden hätte müssen, ob es tatsächlich der Wahrheit entsprach und zu einer Verurteilung führen kann.
BVerfG, Beschluss vom 08.11.2023, Az. 2 BvR 294/22
Der zweite Beschluss beschäftigt sich ebenso mit den Verständigungen. Sie fand beim AG Magdeburg nach einer Verhandlungspause in Abwesenheit des Angeklagten statt.
Der Richter erklärte in der Verhandlung, dass es bei einem Geständnis zu einer Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr ausgesetzt zur Bewährung kommen würde. Genauere Informationen zu der Verständigung gab er nicht preis. Daraufhin gestand der Angeklagte und wurde zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr ausgesetzt zur Bewährung wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Mit der Begründung, dass der Richter gegen seine Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO verstoßen hat, legte er gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. Die Revision blieb erfolglos.
Das BVerfG hob diese Entscheidung nun auf. Grund dafür ist der tatsächliche Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Er hätte genauer bekanntgeben müssen, wer die Verständigung initiiert hat und wer welchen Vorschlag gemacht hat. Der Angeklagte erfuhr dies nicht, sodass ihm relevante Informationen für die Verteidigung unbekannt geblieben sind.
Beide Verfahren wurden an die Amtsgerichte zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Dies zeigt, wie praktisch bedeutsam die Verständigungen für einen Prozess sind. Dennoch sind die verfassungsrechtlich gesicherten Rechtstaatsprinzipien von den Richtern unter allen Umständen zu beachten. Ein faires Verfahren muss eingehalten werden.
Wolfgang Luippold
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