Erbrecht: Hinreichende Bestimmbarkeit der Erben in einem Testament – Was bedeutet das?

Erbrecht: Hinreichende Bestimmbarkeit der Erben in einem Testament – Was bedeutet das?

OLG München, Beschluss vom 25.09.2023 – 33 Wx 38/23e

 

Zum Fall:

Die verwitwete und kinderlose Erblasserin war in einem Pflegeheim untergebracht und errichtete 2011 ein handschriftliches Testament mit dem Inhalt, dass die Person, die sie bis zu ihrem Tode pflegte und betreute, ihr gesamtes Vermögen erhalten soll.

Ferner benannte sie im Testament die Person, die zum damaligen Zeitpunkt („derzeit“) die Pflege und Betreuung übernahm. Die Erblasserin verstarb im Jahr 2021 und die im Testament benannte Betreuerin beantragte daraufhin den Erbschein für sich selbst. Es wurde allerdings gerichtlich festgestellt, dass ab 2014 zusätzlich eine weitere Frau als Betreuerin für sie bestellt worden war und ab 2017 noch eine dritte Betreuerin, woraufhin die zweite Betreuerin aus dem Betreueramt entlassen worden war.

Daraufhin stellte sich Frage, ob die erste Betreuerin tatsächlich die durchs Testament eingesetzte Erbin werden sollte.


Die Entscheidung des OLG München

Zunächst stellte das OLG München den allgemeinen Grundsatz der Testamentsauslegung klar: Es kommt gem. § 133 BGB auf den tatsächlichen Willen des Erblassers an. Es muss über die konkreten Formulierungen hinausgehend ermittelt werden, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte und ob ihm dies auch unmissverständlich gelangt. Von diesem Prinzip ausgehend verneinte das Gericht eine Erbeinsetzung der ersten Betreuerin:

Die namentliche Nennung kann nicht als endgültige Erbeinsetzung verstanden werden, sondern als beispielhafte Nennung dafür, wer zu dem damaligen Zeitpunkt diese Anforderungen erfüllte. Insbesondere am Wort „derzeit“ wurde dies deutlich.

Im zweiten Schritt wurde geprüft, ob die Voraussetzungen, die im Testament genannt wurden, bestimmt genug waren und ob die erste Betreuerin diese Kriterien erfüllte.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Entscheidung, wer erben soll, nicht von einer zweiten Person getroffen werden darf, sondern höchstpersönlich getroffen werden muss. Dies ergibt sich aus § 2065 Abs. 2 BGB.

Lediglich die Benennung, nicht die Bestimmung darf einem Dritten überlassen werden. Dann muss das Testament jedoch so bestimmt und konkret formuliert sein, dass der Dritte die Benennung ohne eigenes Ermessen vornehmen kann.

Diesen Anforderungen wurde das Testament aus dem Jahr 2011 nicht gerecht. Selbst nach der Auslegung des Testaments war nicht garantiert, nach welchen genauen Kriterien die Benennung des Erben erfolgen soll.

So ging aus dem Testament beispielsweise nicht hervor, ob die Pflege und Betreuung ununterbrochen stattgefunden haben musste oder ob tatsächlich nur eine Person als Erbe eingesetzt oder alle betreuenden Miterben werden sollten. Auch was die Erblasserin genau unter „Pflege und Betreuung“ verstand, konnte nicht aus dem Testament geschlossen werden.

Insgesamt war nach Ansicht des Gerichts weder der genaue Inhalt noch der zeitliche Rahmen der Pflege und Betreuung bestimmt genug. Demnach war es auch nicht möglich, festzustellen, wer die Kriterien erfüllte.

Das Testament war daher nichtig und der ersten Betreuerin wurde kein Erbschein ausgestellt.


Auswirkung auf die Praxis

Das OLG München hält weiterhin an einer strengen Auslegung des § 2065 Abs. 2 BGB fest.

An dieser Entscheidung fällt es schnell auf, wie wichtig eine konkrete und bestimmte Ausdrucksweise für die Wirksamkeit eines Testaments ist. Feine Nuancen können einen großen Unterschied machen, weshalb sich eine rechtliche Beratung empfiehlt.

Stefanie Braun

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Agrarrecht 
Familienrecht

Ihre Anwältin für dieses Fachgebiet
Rechtsanwältin Stefanie Braun