Internationale Unternehmen haben gerade in Zeiten einer Rezession ihre Mitarbeiter an andere Niederlassungen zu versetzen, wenn eine der Niederlassungen geschlossen wird. Ob das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch die internationale Versetzung umfasst, klärte das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 30.11.2022.
Zum Sachverhalt:
Vier Piloten der Fluggesellschaft Ryanair, die ihren Heimatstandort am Nürnberger Flughafen hatten, wurden nach der Schließung des Standorts in Nürnberg nach Italien versetzt. Vorsorglich sprach Ryanair eine Änderungskündigung aus, die die Anwendung des deutschen Rechts ausschloss. Zuzüglich zu dieser Versetzung nach Italien ist das Gehalt der Piloten von 140.000,00 € auf etwa 75.000,00 € halbiert worden. Hiergegen gingen die Piloten vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg gerichtlich vor. Sie wendeten ein, dass sie diese Versetzung nicht hinnehmen müssen, da das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht die Anweisung zur Arbeitsortsänderung umfasse. Dagegen führte die Fluggesellschaft ins Feld, dass die Tätigkeit eines Piloten einer internationalen Fluggesellschaft besondere Flexibilität voraussetze und daher die Anweisung zum Arbeitsortswechsel verhältnismäßig ist.
Urteil der BAG:
Das Erfurter Arbeitsgericht schloss sich der Ansicht der Nürnberger Arbeitsrichter und der Fluggesellschaft an. Hierbei wurde vor allem auf § 106 GewO verwiesen. Diese Regel gibt dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht in Bezug auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Dabei betonten die Erfurter Richter auch, dass dieses örtliche Weisungsrecht nicht nur auf die Bundesrepublik beschränkt ist und daher auch die internationale Versetzung umfasst, soweit der Arbeitsvertrag oder die Umstände nicht etwas anderes ergeben. So ist eine Weisung zum internationalen Arbeitsplatzwechsel rechtswidrig, wenn der Arbeitsvertrag ausdrücklich Deutschland als Arbeitsort ausweist. Weiterhin muss die Weisung auf ihre Billigkeit überprüft werden. So müsste den Piloten erst ein Arbeitsplatz an einem deutschen Flughafen angeboten werden, soweit diese vorhanden sind. Da hier jedoch keine Präferenzen geäußert wurden und keine Stellen an deutschen Flughäfen zur Verfügung standen, war die Versetzung nach Italien billig.
Bezüglich der Schmälerung der Gehälter betonte das BAG, dass dies auf den Geltungsbereich des deutschen Tarifvertrags zurückzuführen sei. Der Tarifvertrag gelte nämlich nur in Deutschland. Für Piloten, die in Italien arbeiten, gelten dementsprechend die nationalen Tarifverträge, die eben eine niedrigere Vergütung vorsehen.
Somit war Ryanair befugt, den Piloten anzuweisen, nun in Italien zu arbeiten. Die Verringerung der Vergütung war ebenfalls nicht rechtswidrig und damit zulässig (BAG, 30.11.2022, Az. 5 AZR 336/21).
Stefan Schröter
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter der Hochschule Ansbach
Privatdozent (Bankrecht)