Der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch – Wann ist er freiwillig?
Der Rücktritt (§ 24 StGB) ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Er kommt immer dann in Betracht, wenn ein Täter nach Versuchsbeginn (aber vor der Vollendung der Tat) aus eigenständigen Gründen von der Vollendung der Tat absieht bzw. die Tatverwirklichung verhindert.
Warum gibt es den Rücktritt vom Versuch?
Es gibt mehrere Theorien, die erklären, weshalb die Straflosigkeit beim Rücktritt zu begrüßen ist.
Insbesondere im Hinblick auf den Strafzweck ist diese Möglichkeit einleuchtend. Es wird bestraft aus spezial- und generalpräventiven Gründen.
Dies bedeutet, dass einerseits der Zweck der Strafe es ist, den Täter zu resozialisieren und wieder in die Gesellschaft zu integrieren und ihn durch die Bestrafung davor abzuschrecken, weitere Straftaten zu begehen. Andererseits soll im Hinblick auf die gesamte Bevölkerung das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit zu stärken und vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken.
Wenn ein Täter nun aber freiwillig von der Straftat absieht, so besteht nicht mehr die Notwendigkeit aus eben diesen beiden Gründen zu bestrafen: Der Erfolg der Tat tritt nicht ein (beispielsweise der Tod beim versuchten Totschlag) und der Täter hat bewiesen, dass er ein Unrechtsbewusstsein hat und damit sozial verträglich ist.
Nach der sog. Gnadentheorie soll der Täter für den freiwilligen Rücktritt belohnt werden, da er auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Tat zu vollenden, aber davon abgesehen hat.
Grundvoraussetzung für den Rücktritt
Es gibt mehrere Voraussetzungen für den Rücktritt. Beim unbeendeten Versuch, § 24 I Alt. 1 StGB, genügt das schlichte Absehen vom Weiterhandeln, beim beendeten Versuch, § 24 I Alt. 2, muss der Taterfolg, der ohne weiteres Zutun eintreten würde, aktiv durch den Täter verhindert werden.
In beiden Fällen erforderlich ist die Freiwilligkeit des Rücktritts. So muss unterschieden werden, ob ein Täter autonom oder heteronom, etwa weil er sich beobachtet gefühlt oder einen inneren Zwang zum Absehen verspürt hat, handelt. Nur in ersterem Fall ist ein Rücktritt möglich.
Der BGH hat sich zur Freiwilligkeit des Rücktritts erneut geäußert (BGH, Urteil vom 10.01.2024, Az. 6 StR 324/23).
Zum Fall
Ein Tischler schlug in seinem Betrieb mehrfach mit einem Hammer auf den Kopf einer Kundin in der Absicht, diese zu töten, ein. Auch Mordmerkmale konnten festgestellt werden.
Aufgrund von Panik, bei der Tat erwischt zu werden, sah er von der Vollendung der Tat ab und wollte vortäuschen, dass ein Einbrecher diese begangen habe. So warf er das Tatwerkzeug in ein Gebüsch und forderte zwei Passanten auf, Hilfe zu holen. Aufgrund dessen konnte die Schwerverletzte gerettet werden.
Ob darin ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorlag, entschied nun der BGH.
Laut BGH ist dies nicht der Fall, da es an der Freiwilligkeit fehlte.
Die oben beleuchteten Anforderungen an den Rücktritt gelten für den unbeendeten, sowie für den beendeten Versuch gleichermaßen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen beendeten Versuch, denn der Täter ging davon aus, dass der Erfolg ohne weiteres Zutun eintreten und die Frau umkommen würde.
Seine Handlung, nämlich das Sorgen dafür, dass ein Notruf abgesetzt wird, um die Frau zu retten, ist ausreichend für den Rücktritt.
Jedoch geriet der Täter in Panik und handelte daher nicht mehr autonom. Er fasste seinen Entschluss nicht aus freien Stücken, sondern verspürte Panik, weshalb er von der Tatbestandsverwirklichung absah.
Damit fehlte es dem Täter an der Freiwilligkeit, woran der Rücktritt scheiterte.
Es lässt sich daher festhalten, dass der Gesetzgeber einen Täter aus den genannten Gründen privilegieren will, wenn er von der Tatverwirklichung absieht und den Erfolgseintritt verhindert. Die Straffreiheit hat sich allerdings nur derjenige verdient, der tatsächlich freiwillig handelt. Nur dann bedarf es einer Bestrafung nicht mehr.
Wolfgang Luippold
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