Erbrecht: Die Testierfreiheit- Unbeschränkbar oder eine Freiheit mit Grenzen?
BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21
§ 2302 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewährleistet die unbeschränkbare Testierfreiheit. Das heißt, dass Verträge, die jemanden zur (Nicht-)Errichtung oder (Nicht-)Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen verpflichtet, nichtig sind.
Der BGH beschäftigte sich nun mit Auflagen und der Frage, inwiefern sie von § 2302 BGB erfasst werden. Insgesamt handelte es sich daher um die Frage, ob die unbeschränkbare Testierfreiheit Grenzen kennt.
Zum Fall:
Ein Mann war Grundstückseigentümer und wollte dieses unbedingt in der Familie auch nach seinem Tod behalten. Daher schenkte er das Grundstück unter der Auflage an seinen Sohn, dass das Grundstück unter bestimmten Bedingungen zurückübertragen oder an dessen Kinder übertragen werden soll. 2003 bzw. 2008 wurde die Ergänzung aufgenommen, dass das Grundstück spätestens beim Tod des Sohnes an dessen Kinder verschenkt werden soll. Bis zu dessen Tod ist eine Übertragung an die Kinder nicht geschehen, sodass die drei Kinder und die Ehefrau Erben wurden.
Das zuständige Landgericht und Oberlandesgericht München hielten die drei Enkel für die Erben zu je einem Drittel.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.
Er hielt die Vereinbarung zwischen dem Sohn und seinem Vater für wirksam. Einen Verstoß gegen die Testierfreiheit aus § 2302 BGB konnte das Gericht nicht feststellen. Grund dafür war, dass die Kinder einen direkten Anspruch aus der Vereinbarung selbst erhalten haben. Es handelte sich um ein Geschäft unter Lebenden, denn der Sohn hatte sich verpflichtet, bis spätestens zu seinem Tod das Haus an seine Kinder zu übereignen.
Dass der Sohn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, war unschädlich. Somit trifft die Erben dies nun als Nachlassverbindlichkeit nach §§ 1922, 1967 BGB.
Der BGH beanstandete lediglich die Auslegung des Gerichts der Vereinbarung von 1995. Die unbedingte Übereignung an die Kinder wurde erst 2003 bzw. 2008 getroffen, doch das Gericht las dies bereits in den Vertrag von 1995 hinein. Dadurch wurde nicht geklärt, ob die Vereinbarungen ohne Rücksicht auf die Ehefrau des Mannes hätte geschlossen werden dürfen.
Fazit:
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Es wird deutlich, dass Auflagen, die den Beschenkten verpflichten, spätestens mit seinem Ableben das Geschenkte auf einen Dritten zu übertragen, nicht automatisch unter § 2302 BGB fallen. Insbesondere wenn ein zumindest bedingter Anspruch des Dritten auf Übereignung bereits mit dem Schenkungsvertrag entsteht, ist eine solche Auflage nicht nichtig.
Stefanie Braun
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Agrarrecht
Familienrecht