Kurzfristige Erbeinsetzung einer Berufsbetreuerin scheitert an Sittenwidrigkeit
Berufsbetreuer können von Gerichten dazu beauftragt werden, über die Vermögensangelegenheiten von Personen zu verfügen, die dazu alleine nicht (mehr) in der Lage sind. Im vorliegenden Fall hat sich das Oberlandesgericht Celle mit dem Testament eines Mannes beschäftigt, der seine gerichtlich eingesetzte Betreuerin zu seiner Erbin gemacht hat. Ist ein solches Testament sittenwidrig?
Das OLG Celle beschäftigt sich mit der Erbeinsetzung einer Berufsbetreuerin:
Das Amtsgericht Hannover bestellte Anfang 2005 eine Berufsbetreuerin zur Betreuung eines 85-jährigen Mannes, der aufgrund eines Schlaganfalls halbseitig gelähmt war und erhebliche psychische Ausfallerscheinungen aufwies. Das Gericht befand, dass der Mann seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen könne und mangels Angehöriger auf eine Berufsbetreuerin angewiesen sei. Nach dem Umzug des Mannes in eine Pflegeeinrichtung wurde die Betreuerin damit betraut, die Gesundheits- und Vermögensangelegenheiten in seinem Interesse zu regeln. Im Mai 2005 wurden die Berufsbetreuerin und ein weiterer Betreuer in einem notariellen Testament als Erben des Mannes eingesetzt. Das Vermögen des Mannes belief sich auf 350.000 Euro. Die Erbeinsetzung wurde gegenüber dem Amtsgericht von der Betreuerin verheimlicht. Als der Erblasser 2012 verstarb, teilten sich die beiden Betreuer das Erbe unter sich auf. Anfang 2014 bestellte das Amtsgericht Hannover einen sog. Nachlasspfleger, der den Nachlass sichern sollte. Dieser verlangte von der Betreuerin und der weiteren Person die Herausgabe der von diesen erlangten Vermögenswerten (OLG Celle 07.01.2021 – 6 U 22/20).
War der Erblasser testierfähig?
Die Testierfähigkeit des Erblassers ist eine Grundvoraussetzung für ein wirksames Testament. Bei Personen, die an geistigen Störungen oder Demenz leiden, ist die Testierfähigkeit in der Regel nicht gegeben.
Ärztliche Gutachten und Berichte belegten im vorliegenden Fall, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig gewesen ist.
Ist das Testament sittenwidrig?
Das Gericht betonte, dass die Betreuerin die Einsamkeit und Hilflosigkeit des Betreuten zu ihrem Vorteil ausgenutzt habe. Der Erblasser habe die Betreuerin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes erst kurze Zeit gekannt und sei zudem nicht testierfähig gewesen. Die Betreuerin habe die Notarin selbst beauftragt und dem Gericht die Erbeinsetzung verschwiegen, um zu verhindern, dass das Gericht von dem potenziellen Interessenskonflikt Kenntnis erlangt. Das Oberlandesgericht Oldenburg erklärte das Testament gemäß § 138 BGB für sittenwidrig und somit für nichtig (OLG Celle 07.01.2021 – 6 U 22/20).
Dr. Bettina Schacht
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zert. Testamentsvollstreckerin
Mediatorin