Familienrecht: Anrechnung eines
Dienstwagens bei der Ermittlung des Einkommens für Unterhaltszahlung?
OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2024 – 4
UF 5/23
Das Einkommen ist für die Berechnung des Unterhalts maßgeblich. Beim Trennungsunterhalt ist das Einkommen beider Ehepartner relevant, um ermitteln zu können, in welcher Höhe ein Ausgleich zu erfolgen hat.
Das OLG Hamm hat sich nun damit beschäftigt, inwieweit auch geldwerte Vorteile (wie die Nutzung eines Firmenwagens) als Einkommen einzuberechnen sind und wann eine Ausnahme der 1%-Regelung vorliegt.
Zum Fall:
Die Parteien heirateten im Dezember 2004 und haben zwei gemeinsame Töchter, die seit der Trennung im Juni bzw. Juli 2021 bei der Antragstellerin leben. Nach der Trennung machte die Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann Unterhaltsansprüche geltend.
Dem Antragsgegner wurde von seinem Arbeitgeber ein Dienstwagen mit einem Bruttolistenpreis von 90.000 Euro zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Ab Dezember 2023 nutzte er einen anderen Dienstwagen, dessen Bruttolistenpreis 56.300 Euro betrug. Auch diesen durfte er privat nutzen. Dadurch ersparte sich der Antragsgegner eigene Aufwendungen, die folglich zu einem geldwerten Vorteil führte.
Für die Berechnung des Unterhalts wurde in der ersten Instanz die 1%-Regelung angewandt: Für die Berechnung des geldwerten Vorteils des Antragsgegners wird jeden Monat 1% des Bruttolistenpreises des Dienstwagens berechnet. Dies wären im vorliegenden Fall 902 Euro.
Gegen die Anwendung dieser Regel wandte sich der Pflichtige. Er hatte keinen Einfluss auf die Wahl des Autos und hätte sich selbst ein günstigeres Auto ausgesucht. Das Auto erfüllt im dienstlichen Rahmen eine Repräsentationsfunktion, auf die er privat keinen Wert gelegt hätte. Auch nutzte er das Fahrzeug privat selten.
Das OLG Hamm vertrat ebenso wie die erste Instanz die Auffassung, dass ein Dienstwagen das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen erhöht, da dem Arbeitnehmer damit ein geldwerter Vorteil zukommt. Allerdings ist das Gericht der Auffassung, dass der steuerlichen 1%-Regelung nicht ausnahmslos Folge zu leisten ist, sondern sie lediglich ein Anhaltspunkt für die Ermittlung sein kann.
Insbesondere bei kostspieligen Fahrzeugen sei zu berücksichtigen, ob das Fahrzeug vorrangig einen Repräsentationszweck erfüllt oder ob der Unterhaltspflichtige sich den Wagen selbst auch angeschafft hätte.
Aufgrund dieser Aspekte musste auch im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der 1%-Regelung getroffen werden. Der Senat führte daher eine konkrete Berechnung durch und kam zum Ergebnis, das der Nutzungsvorteil monatlich 400 Euro und ab Dezember 2023 aufgrund von der Nutzung eines günstigeren Dienstwagen 375 Euro betrug.
Fazit:
Dem OLG Hamm ist zuzustimmen.
Grundsätzlich müssen Pflichtigen auch Nutzungsvorteile angerechnet werden. Durch die Nutzung können schließlich eigene Aufwendungen, wie zum Beispiel die Anschaffung eines PKW oder des für die Nutzung von Fahrzeugen erforderlichen Kraftstoffes, erspart werden. Sie führen daher zu einer Erhöhung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens.
In der Praxis dient die 1%- Regelung, die sich am Bruttolistenpreis orientiert, als ein wichtiger Anhaltspunkt für die Ermittlung dieses Nutzungsvorteils. Jedoch ist von ihrer pauschalen Anwendung abzusehen, da es so zu unbilligen Ergebnissen kommen kann.
So kann es -wie im beleuchteten Sachverhalt- ungerecht sein, wenn das Auto im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vorrangig einen Repräsentationszweck erfüllt und der Pflichtige sich dieses zur privaten Nutzung nicht angeschafft hätte.
In solchen Fällen sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Wir beraten Sie gerne.
Stefanie Braun
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Agrarrecht
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