– English version below –
Neue Compliance-Herausforderungen für Unternehmen in Deutschland durch das deutsche Lieferkettengesetz?
I. Neues deutsches Lieferkettengesetz wurde verabschiedet
Deutschland befand sich lange Zeit in einer großen Diskussion über ein neues Lieferkettengesetz. Während das Wirtschaftsministerium ein solches Gesetz generell ablehnte, wurde das Vorhaben vom Ministerium für Arbeit und Soziales und vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vehement unterstützt. Mitte 2021 wurde ein Kompromiss gefunden und am 11.06.2021 hat der Bundestag das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) letztlich beschlossen. Am 25. Juni 2021 hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Deutsche Politiker sprechen von einem weltweit einzigartigen und wegweisenden Gesetz.
Das Gesetz wird deutsche Unternehmen dazu verpflichten, die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Lieferkette weltweit sicherzustellen. Auf Unternehmen werden durch das neue Gesetz in Deutschland erhebliche Mehrkosten für Compliance zukommen.
II. Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes
Das neue Gesetz tritt erst am 1. Januar 2023 in Kraft. Dadurch sollen deutsche Unternehmen ausreichend Zeit haben, sich auf das Supply Chain Gesetz einzustellen. Zunächst sind nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern betroffen. Ab 2024 sollen auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern in den Geltungsbereich des Gesetzes einbezogen werden. Da sich das Projekt aber noch im Gesetzgebungsverfahren befindet, sind Unternehmen mit weniger Mitarbeitern noch nicht aus dem Schneider.
Dem Gesetzentwurf waren zunächst Selbstregulierungsversuche vorausgegangen. Arbeitsrechts- und Umweltverstöße in Lieferketten sollten überwacht und gemeldet werden. Wie so oft in der Praxis sind solche freiwilligen Selbstregulierungssysteme innerhalb der Wirtschaft nach Ansicht der Verwaltung gescheitert.
Insgesamt lautet die entscheidende Frage: Wie sollen Unternehmen in Deutschland die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette künftig weltweit fördern?
Die ehrliche Antwort ist: Dieses Ziel wird in der Praxis wohl kaum zu erreichen sein. Dennoch wird das Gesetz bald verabschiedet werden. Daher werden die bestehenden Compliance-Management-Systeme noch einmal erweitert werden müssen, um die Lieferkette eines Unternehmens auf Arbeitsrechts- und Umweltverstöße hin zu überwachen und Meldesysteme für mögliche Opfer solcher Verstöße einzurichten.
1. Pflicht zur Risikoanalyse
Unternehmen werden verpflichtet sein, länder- und branchenspezifische Risiken in ihrer Lieferkette zu identifizieren und zu bewerten. Dabei werden allgemein bekannte Risikoszenarien des jeweiligen Industriezweiges regelmäßig besonders zu berücksichtigen sein. Es handelt sich in der Regel um Szenarien, die in der Vergangenheit bereits zu zahlreichen Vorfällen/Verletzungen geführt haben. So sind z. B. im Hinblick auf die Textilindustrie in Asien Fragen Lebensstandards entsprechender Bezahlung oder Kinderarbeit zu thematisieren. Ein anderes Szenario kann der Abbau von Rohstoffen sein: Hier hat es in der Vergangenheit erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken für Anwohner und Nachbarn gegeben. Es wird einige Zeit dauern, bis sich in Verwaltung und Rechtsprechung verlässliche Fallgruppen herauskristallisieren werden, die in Deutschland eine gewisse Rechtssicherheit schaffen.
2. Pflicht, Verbesserungsbemühungen zu unternehmen
Nach dem Lieferkettengesetz reicht es nicht aus, eine solche Risikoanalyse durchzuführen. Verstöße müssen gezielt verfolgt, gemeldet und sogar Maßnahmen ergriffen werden, um weitere mögliche Verstöße zu verhindern. Nach derzeitiger Gesetzeslage gilt dies jedoch nur für die direkten Lieferanten eines Unternehmens und nicht für alle Subunternehmer. Darüber hinaus muss die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette wahrscheinlich durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigt werden. Ohnehin besteht keine Erfolgspflicht, sondern lediglich die Pflicht, sich um den Schutz der Menschenrechte soweit wie möglich zu bemühen. Grad und Umfang dieser Bemühungen sind jedoch völlig offen.
Die Sanktionen werden hart ausfallen; die Strafen können bis zu 10% des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen. Darüber hinaus können Unternehmen, die bereits zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
III. Das deutsche Lieferkettengesetz im internationalen Kontext
In der Tat scheint bisher kein anderes Land ein Gesetz mit ähnlich weitreichendem Geltungsbereich erlassen zu haben. Vergleichbare Modelle sind vielleicht der Modern Slavery Act in England, das Gesetz gegen Kinderarbeit (Wet Zorgplicht Kinderarbeid) in den Niederlanden oder die Schweizer Initiative zur Unternehmensverantwortung, die darauf abzielt, Schweizer Unternehmen zu Sorgfaltsmaßnahmen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße im Ausland zu verpflichten, die von Unternehmen, die unter ihrer Kontrolle sind, begangen werden. Aber diese Gesetze sind definitiv nicht so umfangreich.
Natürlich ist dieser deutsche Schritt nicht ohne Antwort der EU geblieben. Ein Entwurf für einen europäischen Rechtsakt ist bereits für 2021 angekündigt. Sicherlich werden weitere EU-Mitglieder in Kürze eigene nationale gesetzliche Ausarbeitungen hierzu erlassen. Daher wird es wohl einen Flickenteppich von Gesetzen mit unterschiedlichen Schutzniveaus in Europa geben, die auf einem EU-weiten Mindestniveau für das Risikomanagement in der Lieferkette fußen. Konzerne mit Niederlassungen in der gesamten EU werden damit beschäftigt sein, alles unter einen Hut zu bringen.
IV. Bewertung des deutschen Lieferkettengesetzes – Was können Sie tun?
Dieses neue Gesetz gefährdet sicherlich das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit ihren stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und der Produktion im Ausland. Und dieses Risiko wird in Kauf genommen, obwohl es sehr fraglich ist, ob Unternehmen in Deutschland die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb ihrer Lieferkette im Ausland beeinflussen können. Möglicherweise ist dies eher eine Aufgabe souveräner Staaten und eine Last, die Unternehmen nicht tragen können.
Das deutsche Lieferkettengesetz wird auf jeden Fall dazu führen, das sich Rechtsabteilungen von Unternehmen intensiv mit der Lieferkette auseinandersetzen müssen. So können rechtliche Risiken besser bewältigt werden, wenn Voruntersuchungen unter dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses durchgeführt werden. Im Rahmen des zukünftigen Lieferantenmanagements müssen regelmäßige Stichproben durchgeführt werden, und die Lieferanten haben nachzuweisen, dass sie entsprechende Schulungen durchgeführt haben. Alles in allem zusätzliche Bürokratie, die Unternehmen zu bewältigen dann bewältigen müssen.
Die Berichtspflichten dürften in jedem Fall ausgeweitet werden, und rechtsverbindliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, die auf EU-Ebene eingeführt werden, scheinen unausweichlich. Für Unternehmen ist es sinnvoll, bestehende Risikomanagementsysteme als Ausgangsbasis für die Umsetzung dieser neuen Gesetzeslage zu nutzen. Es ist jedoch ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem klassischen Risikoansatz und dem neuen Regelwerk zu machen: Ein klassisches CMS zielt auf den Schutz der Gesellschaft ab, die Sorgfaltspflicht nach dem Supply Chain Act wird sich auf die Umwelt und das Individuum konzentrieren.
In der Praxis sind die Lieferketten jedoch oft äußerst komplex. Daher ist es für Unternehmen wichtig, potenzielle Risiken für Mensch und Umwelt in ihrer Lieferkette zu identifizieren und auf die damit verbundenen, kommenden Berichtspflichten vorbereitet zu sein.
Zur Beantwortung von Fragen betreffend das Lieferkettengesetz stehen wir gerne zur Verfügung.
The German Supply Chain Act – New Compliance Challenges for Companies in Germany
I. The German Supply Chain Act
For a long time, Germany was engaged in a major discussion about a new supply chain law. While the Ministry of Economics generally opposed such a law, the project was vehemently supported by the Ministry of Labor and Social Affairs and the Ministry of Economic Cooperation and Development. A compromise was reached in mid-2021 and on June 11, 2021, the Bundestag ultimately passed the Supply Chain Sourcing Obligations Act (LkSG). On June 25, 2021, the Bundesrat approved the law. German politicians speak of a globally unique and groundbreaking law.
The law will require German companies to ensure compliance with human rights in their supply chain worldwide. Companies will face significant additional compliance costs as a result of the new law in Germany.
II. Requirements of the German Supply Chain Act
The new law will come into force on January 1st, 2023. This is to give German companies sufficient time to adapt to the Supply Chain Act. Initially, only companies with more than 3,000 employees will be affected. From 2024, companies with more than 1,000 employees are also to be included in the scope of the law. However, since it is still in the legislative process, companies with fewer employees are not yet off the hook.
The bill was initially preceded by self-regulatory attempts. Labor law and environmental violations in supply chains were to be monitored and reported. As is so often the case in practice, such voluntary self-regulatory systems within the business community have failed, according to the administration.
Overall, the crucial question is: How should companies in Germany promote human rights compliance in their supply chains worldwide in the future?
The honest answer is: this goal is unlikely to be achieved in practice. Nevertheless, the law will soon be passed. Therefore, existing compliance management systems will have to be expanded once again to monitor a company's supply chain for labor rights and environmental violations and to set up reporting systems for potential victims of such violations.
1. Obligation to conduct risk analysis
Companies will be required to identify and assess country- and industry-specific risks in their supply chain. In doing so, generally known risk scenarios of the respective industry sector will regularly have to be given special consideration. These are usually scenarios that have already led to numerous incidents/violations in the past. For example, with regard to the textile industry in Asia, issues of living standards corresponding to payment or child labor must be addressed. Another scenario can be the mining of raw materials: Here, there have been significant environmental and health risks for residents and neighbors in the past. It will take some time for reliable case groups to emerge in administration and case law that will create a certain degree of legal certainty in Germany.
2. Obligation to make improvement efforts
Under the Supply Chain Act, it is not enough to conduct such a risk analysis. Violations must be specifically tracked, reported and even measures taken to prevent further potential violations. However, under the current law, this only applies to a company's direct suppliers and not to all subcontractors. In addition, compliance with human rights in the supply chain probably has to be confirmed by an auditing firm. In any case, there is no obligation to succeed, only the obligation to make efforts to protect human rights as far as possible. However, the degree and scope of these efforts are completely open.
Sanctions will be severe; penalties can be up to 10% of a company's annual turnover. In addition, companies that have already been fined may be barred from public contracts for up to three years.
III. The German Suppy Chain Act in an international context
Indeed, no other country appears to have enacted a law with a similarly far-reaching scope to date. Comparable models might be the Modern Slavery Act in England, the law against child labor (Wet Zorgplicht Kinderarbeid) in the Netherlands, or the Swiss Corporate Responsibility Initiative, which aims to require Swiss companies to conduct due diligence on human rights abuses and environmental violations committed abroad by companies under their control. But these laws are definitely not that extensive.
Of course, this German move has not gone without a response from the EU. A draft European act has already been announced for 2021. Certainly, other EU members will soon enact their own national legal elaborations on this. As a result, there will likely be a patchwork of laws with varying levels of protection across Europe based on an EU-wide minimum level for supply chain risk management. Corporations with operations across the EU will be busy trying to reconcile everything.
IV. Evaluation of the German Supply Chain Act – What can you do?
This new law certainly endangers the successful model of the German economy with its highly internationalized value chains and production abroad. And this risk is accepted, although it is very questionable whether companies in Germany can influence the observance of human rights within their supply chain abroad. Possibly, this is more a task of sovereign states and a burden that companies cannot bear.
In any case, the German Supply Chain Act will mean that corporate legal departments will have to deal intensively with the supply chain. Legal risks can be better managed if preliminary investigations are conducted under the protection of attorney-client privilege. Regular spot checks will have to be carried out as part of future supplier management, and suppliers will have to prove that they have undergone appropriate training. All in all, additional bureaucracy that companies will then have to cope with.
Reporting requirements are likely to be extended in any case, and legally binding due diligence requirements in the supply chain introduced at EU level seem inevitable. It makes sense for companies to use existing risk management systems as a starting point for implementing this new legislation. However, there is a fundamental difference to be made between the classic risk approach and the new set of regulations: A classic CMS aims to protect society, while due diligence under the Supply Chain Act will focus on the environment and the individual.
In practice, however, supply chains are often extremely complex. Therefore, it is important for companies to identify potential risks to people and the environment in their supply chain and to be prepared for the associated upcoming reporting requirements.
To answer any questions regarding the Supply Chain Act, please do not hesitate to contact us.
Dr. Bettina Schacht
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zert. Testamentsvollstreckerin
Mediatorin