Rechtfertigt der Transport einer Schwangeren zum Krankenhaus einen Geschwindigkeitsverstoß?
Im vorliegenden Fall fuhr ein Arzt seine schwangere Frau in eine Klinik und hielt sich dabei nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Anstatt maximal 80 km/h fuhr der Mann 120 km/h. Wegen der fahrlässigen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit wurde gegen den Arzt ein Bußgeld in Höhe von 130 Euro verhängt. Der werdende Vater wehrte sich gegen den Bescheid und betonte, dass es sich um einen medizinischen Notfall gehandelt habe. Seine schwangere Frau habe sich in akuter Lebensgefahr befunden und um den Rettungsdienst nicht zu belasten, habe er sich entschieden, seine Frau selbst ins Krankenhaus zu fahren (OLG Düsseldorf 8.3.2021, 2 RBs 13/21).
Kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch einen Notfall gerechtfertigt sein?
Ja! Wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich ist, damit die Hilfe für eine schwer erkrankte oder verletzte Person gewährleistet werden kann.
- Der Betroffene muss zuvor vergeblich eine Alternative gesucht haben, um aus der Notsituation herauszukommen. In Betracht kommt beispielsweise das Rufen eines Notarztes oder eines Rettungswagens.
- Besondere Umstände müssen vorliegen, die eine zeitnahe Rettung unmöglich machen.
- Die Geschwindigkeitsüberschreitung muss einen wesentlichen Vorteil für die Person darstellen, die sich in akuter Gefahr befindet. Dabei muss beachtet werden, dass der Vorteil nicht außer Verhältnis zu der der Gefährdung anderer Straßenverkehrsteilnehmer stehen darf.
Zum konkreten Fall aus der Rechtsprechung
Im konkreten Fall hatte der Arzt nicht versucht, den Notdienst zu rufen. Da Notarzt und Rettungswagen in Notfällen mit Sonder- und Wegerechten ausgestattet sind, hätten sie die Patientin in kurzer Zeit zu der nächsten Klinik fahren können. Das Gericht konnte zudem keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass überhaupt ein Notfall vorlag. Außerdem sei der Arzt während der Fahrt nicht in der Lage gewesen, seine Frau medizinisch zu versorgen.
Die Geschwindigkeitsüberschreitung konnte somit nicht durch einen Notfall gerechtfertigt werden (OLG Düsseldorf 8.3.2021, 2 RBs 13/21).
Michael Stock
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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