Verkehrsrecht: Sind alkoholisierte Fahrer automatisch Unfallverursacher?
Das Oberlandesgericht Frankfurt befasste sich mit einem Fall, bei dem es den Unfallverursacher feststellen musste (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2024, Az. 26 U 11/23).
Ein Fahrer fuhr stadteinwärts in eine Stadt in Hessen. Er befand sich mit 0,96 Promille im alkoholisierten Zustand. eine Frau überquerte zusammen mit weiteren Personen, die unverletzt blieben, die Straße und wurde dabei vom PKW erfasst und in die Höhe geschleudert. Aufgrund des Unfalls erlitt sie schwere Verletzungen und nahm den Fahrer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Das zuvor zuständige Landgericht stellte einen Mitverschuldensanteil in Höhe von 50% fest.
Die Entscheidung des OLG:
Das OLG Frankfurt senkte daraufhin den Verschuldensanteil auf 25% herab und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 52.000 Euro zu.
Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Der PKW-Fahrer hat in seinem Verhalten die Ursache für den Unfall gesetzt. Dadurch, dass er nicht rechtzeitig gebremst hat, obwohl sich die Passantin schon auf der Straße befand, verstieß er gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot im Straßenverkehr. Er hätte aufgrund seines alkoholisierten Zustands, der selbst rechtswidrig ist, nicht auf ein rechtmäßiges Verhalten der Fußgängerin vertrauen dürfen.
Das Gericht ging davon aus, dass der Unfall gerade auf seine Trunkenheit zurückzuführen ist.
Der Anscheinsbeweis sprach dafür, dass die Trunkenheit ursächlich für den Unfall war, „wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können“. Ein nüchterner Fahrer hätte aufgrund der guten Sichtverhältnisse die Passantin gesehen und rechtzeitig abgebremst.
Der Geschädigten ist dennoch ein Mitverschulden in Höhe von 25% anzurechnen, denn auch sie konnte den anfahrenden PKW sehen und hätte demnach vom Überqueren absehen können.
Diesem Urteil ist zuzustimmen. Ein betrunkener Fahrer darf nicht auf verkehrsgerechtes Verhalten der anderen Teilnehmer vertrauen, da er sich selbst grob fahrlässig verhält. Wenn ein Unfall ohne Trunkenheit vermeidbar gewesen wäre, genügt der Anscheinsbeweis, um die Ursächlichkeit anzunehmen. Daher können, wie vorliegend, auch höhere Schmerzensgelder geltend gemacht werden oder sich die Verschuldensanteile verändern.
Michael Stock
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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