Es sind bereits zahlreiche Fälle aufgetreten, bei welchen der Erblasser im Rahmen von Vollmachten eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Verfügung von Todes wegen aufgenommen hatte, die übersehen wurde.
In der bisherigen Rechtspraxis wurde dies als zweifelhaft angesehen. Es stellte sich die Frage, ob es sich hierbei auch um rechts- und formwirksame Testamente, also auch testamentarische Regelungen für den Erbfall handeln kann.
Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 11.05.2017 (Aktenzeichen 10 U 64/16) dargelegt, dass durchaus eine testamentarische Regelung auch in einer Vollmacht vorliegen kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Häufig werden von juristischen Laien die Rechtsbegriffe nicht korrekt verwendet und testamentarische Regelungen als „Vollmacht“ bezeichnet bzw. überschrieben.
Im vorliegenden Fall war die Klägerin die Nichte der Beklagten. Die Erblasserin war die Schwester der Beklagten und der Mutter der Klägerin. Nach der gesetzlichen Erbfolge wäre die Klägerin zur Erbfolge gelangt. In einem als „Testament“ überschriebenen Schriftstück wurden die Schwestern zu ihren Erben zwar bestimmt und aufgenommen, dass das „Elternhaus“ hälftig übertragen werden soll. In zwei wenige Tage später datierten Schriftstücken mit der Überschrift „Vollmacht“ erteilte sie handschriftlich eigenhändig Vollmachten an die Klägerin. Mit dieser Verfügung hat die Erblasserin verfügt, dass sämtliche Guthaben bei Banken und Bausparkassen an die Bevollmächtigte ausgezahlt werden können und sich die Bevollmächtigte dies auszahlen lassen kann, sie über „sämtliches Vermögen, welches bei der Bank auf Konten und Ersparnissen (Sparbuch, Geldanlagen) besteht, über meinen Tod hinaus, verfügen“ kann.
Hieraus hat das Oberlandesgericht Hamm geschlossen, dass es sich um eine erbrechtliche Verfügung handelt, nicht nur um eine „Vollmacht“.
Da das Sparvermögen und die Guthaben bei den Banken deutlich höher waren, war zuletzt die Auffassung des Oberlandesgerichtes Hamm, dass darin ein rechtsverbindlicher letztwilliger Wille zu sehen sei, wonach die Klägerin nicht nur lediglich eine Verfügungsbefugnis haben sollte, sondern die Erblasserin die „Bevollmächtigte“, hier die Klägerin, als Erbin einsetzen wollte.
Demgemäß hat diese „Vollmacht“ das frühere Testament widerrufen, und die Klägerin wurde zur Erbin bestimmt.
In der Rechtspraxis kommt es immer wieder vor, dass sich im Gespräch herausstellt, dass es weitere Dokumente gibt, die dann von einem juristischen Fachmann auf ihren Erklärungsinhalt überprüft werden sollten.
Dies ist auch nachträglich möglich, da die Erbfolge letztlich keiner Verjährung unterliegt.
Formulierungen können oftmals vom Wortlaut her zwar auf eine lediglich im Außenverhältnis gültige Vollmacht hindeuten, jedoch bei genauer Betrachtung eine Zuwendung darstellen. Die Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen müssen jedoch erfüllt sein.
Dr. Bettina Schacht
Fachanwältin für Erbrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zertifizierte Testamentvollstreckerin